Video: Hausbesuch bei Troy Lee Designs
Als ich vor mittlerweile gut 14 Jahren meine ersten ernst zu nehmenden Schritte im Mountainbike-Universum gemacht habe, sah die Welt noch anders aus: E-Bikes spielten absolut keine Rolle, 26″-Laufräder galten als Wiege der Schöpfung und Enduro-Bikes steckten noch in den Kinderschuhen. Neben Buddeln am Homespot und stundenlangem bergauf-schieben meines Downhill-Bikes ging jede Menge Zeit für das Studieren von Zeitschriften und Bike-Websites drauf. Eine Seite, die damals sehr regelmäßig über meinen Bildschirm flatterte, war die von Troy Lee Designs. Das Objekt der Begierde: ein Troy Lee Desings D3-Helm im Pinstripe-Design. Meiner Meinung nach einer der schönsten Downhill-Helme, die je das Licht der Welt erblickt haben. Allerdings hing an meinem Traum-Helm schon damals ein amtliches Preisschild, das dafür sorgte, dass es vorerst beim Anschmachten blieb.

Seitdem ist viel Zeit vergangen, und bei mir hat sich vor allem im Mountainbike-Zusammenhang sehr viel verändert. Heutzutage habe ich Zugriff auf Komponenten, Bikes und Equipment, von denen ich früher nicht zu träumen gewagt hätte. Auch einen Troy Lee Designs D4-Helm darf ich nun glücklicherweise mein Eigen nennen.
Als mein Chef Tom mir Anfang des Jahres allerdings offenbarte, dass wir die Möglichkeit haben, nach dem Sea Otter Festival dem Hauptquartier von Troy Lee Designs einen Besuch abzustatten, war dies einer der Momente, in denen der kleine, begeisterte Junge in mir wieder zum Vorschein kam. Und der sollte definitiv nicht enttäuscht werden.

Wir nehmen euch mit auf einen Hausbesuch in den heiligen Hallen von Troy Lee Design. Hier erfahrt ihr, wo die ausgefallenen Designs der Helme und Kits ihren Ursprung haben, wie die Custom-Helme der Pros entstehen und welche Story hinter der Kult-Marke steckt.
Das Hauptquartier von Troy Lee Designs befindet sich, wie sollte es anders sein, im sonnigen Kalifornien. In einem für amerikanische Verhältnisse geradezu pittoresk anmutenden ehemaligen Sägewerk werden die Geschicke der Marke gesteuert und dutzende Helme pro Woche designt und lackiert. Begrüßt werden wir von Cameron aus der Marketing-Abteilung, einer GasGas-Motocross-Maschine und unzähligen Helmen jedweder Form, Farbe und Einsatzbereichs. Die große, lichtdurchflutete Eingangshalle strotzt nur so vor Memorabilien jeglicher Art. Man könnte meinen, man ist in einem großen Mountainbike- und Motocross-Museum gelandet. Ein Eindruck, der uns den gesamten Hausbesuch über begleiten sollte.



Eigentlich wollte ich Rennfahrer werden. Aber jedes Mal, wenn ich mich verletzt habe, habe ich Helme lackiert. Dann bin ich wieder Rennen gefahren, hab mich wieder verletzt und habe noch mehr Helme lackiert. So hat das angefangen.



Also habe ich die Helme irgendwie genommen und aufgemotzt.Und das mache ich auch heute noch, ich habe immer noch Spaß dabei.




Auch im weiteren Verlauf unserer Reise durch das Troy Lee-Imperium sind Helme unser stetiger Begleiter geblieben. Meinen allerhöchsten Respekt an die arme Seele, die die Aufgabe hat, all diese Murmeln regelmäßig abzustauben. Eingehüllt vom wohligen Geruch von Lösungsmitteln, treffen wir Jay an seinem Arbeitsplatz. Jay ist einer der erfahrensten Painter von Troy Lee Designs und schwingt hier bereits seit Dekaden den Pinsel. Heute hat er eine besondere Mission: Wir bekommen anlässlich unseres Besuchs einen Custom-Helm.


Ich lasse nichts so, wie es ist. Ich liebe es, zu lackieren. Ich habe auch ein kleines Atelier in Laguna Beach bei mir zu Hause, sodass ich sogar am Wochenende Helme oder Fahrräder lackieren kann.









Weil uns die Schnüffeldröhnung noch nicht vollends befriedigt hat, erhöhen wir kurzerhand die Dosis und betreten eine der zwei Lackier-Kabinen. Hier bekommen zahlreiche Helme ein neues Antlitz verpasst. In unserem Beisein wird gerade der Helm von Oisin O’Callaghan vergoldet. Die Farben hierfür werden stets komplett selbst gemischt, was man der fröhlich beklecksten Einrichtung durchaus ansieht.









Obwohl sich hier scheinbar alles ausschließlich um Helme zu drehen scheint, ist Troy Lee Designs natürlich auch im Bekleidungs-Segment eine absolute Bank. Die teils schrillen, teils dezenten Kits der Mountainbike- und MX-Marke haben ihr Reich im ersten Stock.

Ich liebe auch die geschäftliche Seite, aber ich bin viel besser darin, an Helmen zu arbeiten.





Meine Güte, ich mache das seit über vierzig Jahren und wir machen durchschnittlich so 10 bis 15 Helme pro Woche. Ich habe das nicht zusammengezählt, aber es sind eine Menge Helme. Ich muss das mal zusammenrechnen und schauen, wie viele es sind, aber es hat Spaß gemacht.
Zum Ende unseres Besuchs hatte dann der Meister, Troy Lee höchstselbst, noch Zeit für uns und unsere Fragen. Er hat uns auf eine Reise zu den Anfängen von Troy Lee Design mitgenommen und erklärt, dass er eigentlich am liebsten den ganzen Tag lang nur Helme lackieren würde. Troy Lee ist Künstler, absoluter Mountainbike- und Rennsport-Fan und auf die beste Art und Weise verrückt. Hier verschmelzen die Passion für Kunst und Rennsport in einer Person – und das merkt man.

Interview mit Troy Lee
MTB-News.de: Hey Troy, wir sitzen jetzt hier in deinem Büro und reden über eine weltweit bekannte Marke, die deinen Namen trägt. Wie ist es eigentlich dazu gekommen? Was steckt hinter Troy Lee Designs?
Troy Lee: Puh, das ist echt ’ne lange Geschichte. Mein Opa war Pinstriper, mein Vater Künstler und Motorradrennfahrer, und mein Großvater ist sogar in Bonneville gefahren (bei den Geschwindigkeitsrekord-Rennen auf der Salzwüste). Ich bin damit groß geworden und hab irgendwann einfach angefangen, meine eigenen Helme, Bikes und Motorräder zu lackieren – und das mache ich bis heute. Für mich fühlt sich Troy Lee Designs gar nicht wie so ein riesiges Unternehmen an. Klar, wir sind inzwischen mehr Leute und machen coolere Sachen als je zuvor. Aber eigentlich träume ich einfach weiter und arbeite an meinen Träumen.
Du hast also mit dem Lackieren von Helmen angefangen – und plötzlich wurde daraus ein Geschäft. Das war ja ursprünglich gar nicht dein Plan, oder?
Nee, eigentlich wollte ich Rennfahrer werden. Aber immer, wenn ich mich verletzt habe, hab ich Helme lackiert. Damit hab ich ein bisschen Geld verdient, bin wieder Rennen gefahren, hatte gerade so ein paar Tausend Dollar auf der Seite. Dann kam die nächste Verletzung, und wieder: Helme lackieren, noch mehr Helme lackieren. Irgendwann bin ich dann gegen Typen wie Jeff Ward und Ricky Johnson gefahren – die waren jünger und schneller. Da hab ich gemerkt: Okay, vielleicht sollte ich das Lackieren wirklich ernster nehmen. Also hab ich angefangen, Helme für Ricky Johnson, Jeff Ward und Johnny Tomac zu machen. Erst für meine Freunde – und plötzlich standen ständig neue Helme vor meiner Haustür.

Also hast du wirklich nur mit Helm-Lackierungen angefangen. Heute gibt es aber zig eigene Troy Lee Designs-Helme. Irgendwann musst du ja angefangen haben, auch Helme selbst zu entwickeln. Wie kam das?
Ja, das fing damit an, dass ich Helme ein bisschen umgebaut habe – neue Visiere dran gebaut zum Beispiel. Die hab ich damals noch selbst im Ofen meiner Mutter Vakuum-geformt. So hab ich die Dinger aufgemotzt, neue Visiere, Lack drauf, Finnen dran. Einfach versucht, Helme ein bisschen cooler zu machen, mit witzigen Details – wie der Helm mit der Flagge für Jeremy McGrath. Es ging mir immer darum, Spaß zu haben. Und das ist bis heute so.
Okay, ziemlich cool. Du hast also gar nicht mit Fahrradhelmen angefangen?
Nee, eigentlich mit Autohelmen. Ich hab in Laguna Beach für Jim Busby gearbeitet – der ist Le Mans und Daytona gefahren. Da hab ich seinen Porsche lackiert, später auch seine Helme. Das war so mein Einstieg. Nebenbei bin ich am Wochenende selbst Rennen gefahren und hab die Motorradhelme meiner Freunde lackiert – irgendwann auch die Fahrradhelme. Und das mache ich bis heute: Auto-, Motorrad- und Fahrradhelme.
Und jetzt hast du ein riesiges Team hinter dir …
Genau, inzwischen sind wir so um die 80 Leute. Angefangen hab ich damals in meiner Garage zu Hause, an der Main Street hier in Corona. Irgendwann hab ich nachts zu lange gearbeitet, das fanden die Nachbarn nicht witzig, und meine Mom war auch nicht happy mit den ganzen Dämpfen. Also hab ich einen Hangar am Flughafen Corona gemietet, vier Meilen von hier. Am Ende hatte ich da drei Hangars nebeneinander. Ich glaube, wenn man mit Herzblut dabei ist und gute Arbeit abliefert, ist es gar nicht so schwer, daraus ein Business aufzubauen.

Jetzt, wo du ein größeres Team hast, kannst du dich mehr auf die kreativen Sachen konzentrieren und weniger auf den nervigen Business-Kram?
Jein. Ich mag die geschäftliche Seite auch, aber am liebsten arbeite ich an Helmen. Zum Glück kann ich das auch heute noch jeden Tag machen. In der Helmabteilung entstehen auch die Grundlagen unserer Trikot-Grafiken und Handschuh-Designs – alles fängt beim Helm an. Wenn ich für einen Fahrer einen Helm entwerfe, lass ich mir seinen Rennanzug zeigen und versuche, alles abzustimmen – auf das Auto, das Bike und natürlich auch die Sponsoren.
Du fährst ja selbst gerne Mountainbike. Lackierst du dir deine Rahmen immer direkt selbst oder fährst du auch mal was von der Stange?
Nee, ich lackiere die natürlich selbst. Ich hab gerade ein neues Specialized Levo 4 bekommen – mega cool, komplett Carbon. Das muss sofort lackiert oder gepinstript werden. Ich lasse eigentlich nichts so, wie es ist. Ich liebe es einfach, zu lackieren. In Laguna Beach hab ich auch ein kleines Atelier, da kann ich auch am Wochenende lackieren. Zum Beispiel die Helme oder Bikes von meinen Kids.
Deine Designs wirken immer schnell. Wie machst du das?
Ich versuche grundsätzlich, alles so zu gestalten, dass es schnell aussieht. Wenn es schnell aussieht, wollen die Leute es tragen. Egal, ob Flammen, Muster wie bei Ducati oder jetzt unser neuer Oktopus-Helm – das Design muss Speed ausstrahlen. Manchmal zeichne ich vier, fünf Versionen, bis es passt. Farben spielen dabei auch eine große Rolle. Und wenn dann noch ein schneller Fahrer den Helm trägt, wirkt es erst recht schnell. Deshalb arbeite ich am liebsten mit den besten Athleten – das macht richtig viel Spaß.
Also hast du auch eine enge Beziehung zu deinen Athleten? Troy Brosnan fährt ja zum Beispiel gefühlt schon ewig für euch.
Ja, absolut. Wir sind schon lange Freunde. Das ist eigentlich das Coolste daran: Mit Fahrern wie Brandon Semenuk zusammenzuarbeiten. Er erzählt mir seine Ideen, wir passen die Helme an seine Outfits an, manchmal auch ans Bike. Am Ende geht’s darum, das komplette Paket zu gestalten. Genau das machen wir gerade auch mit unserem Ducati-Programm – Bikes, Anhänger, Gear, Shirts. Alles als Gesamtpaket. Das ist wahrscheinlich das, was ich am besten kann.
Hast du einen Lieblingshelm oder ein Design, das dir besonders viel bedeutet?
Da gibt’s viele. Einer meiner Favoriten ist der von Jeremy McGrath, mit dem er Supercross gewonnen hat – mit der US-Flagge und den Lichtern, einfach ein legendäres Teil. Oder der Pegasus-Helm da unten, den liebe ich. Jimmy Vassars IndyCar-Helm von ’91, mit dem er die Meisterschaft gewonnen hat. Einen für Mario Andretti machen zu dürfen, war natürlich auch krass. Oder Eli Tomacs Helm, als er noch ein kleiner Junge war. Ich habe auch einen Schumacher-Helm – nicht von mir lackiert, aber ich war riesiger Fan. Und irgendwo liegt auch noch ein Jean Alesi-Helm, der war ja auch F1-Fahrer.

Weißt du eigentlich, wie viele Helme du in all den Jahren gemacht hast?
Boah, keine Ahnung. Ich mache das seit über 40 Jahren, im Schnitt so 10 bis 15 Helme pro Woche. Ich hab’s nie genau gezählt – aber es sind verdammt viele. Irgendwann rechne ich das mal zusammen. Aber das Wichtigste: Es macht immer noch unglaublich viel Spaß. Solange mir Ideen einfallen, höre ich nicht auf. Gerade arbeite ich an diesem Oktopus-Helm. Die erste Skizze ist ein paar Jahre alt – manchmal dauert es eben, bis so ein Projekt fertig wird. Aber wenn es dann soweit ist, ist es mega.

Du skizzierst also immer noch mit Papier und Stift, nicht digital?
Genau. Ich mache schnelle Skizzen auf Papier – und meine Lackierer sind so gut, dass sie direkt mit meinen Ideen loslegen können.
Was ist das nächste große Ding bei Troy Lee Designs? Du hast den D5 erwähnt – also neue Helme? Oder was ganz anderes?
Helme müssen vor allem sicherer werden. Wir sehen hier so viele kaputte Helme, wo man sich fragt: Ist der Fahrer überhaupt noch am Leben? Da müssen wir einfach immer besser werden. Ich hab da ein paar spannende Ideen. Manche kommen auch von den Athleten – wenn Brandon Semenuk mir erzählt, welche Tricks er vorhat, denke ich oft: Junge, wir müssten dich eigentlich in Luftpolsterfolie einwickeln! Viele meiner Fahrer sind enge Freunde, deshalb liegt mir ihre Sicherheit am Herzen. Mountainbiken wird immer schneller und härter – teilweise härter als Motocross, weil man mit Bäumen und Steinen viel weniger Auslauf hat.
Am Ende gilt: Helme müssen sicher sein, aber auch cool aussehen. Wenn er nicht cool ist, setzen ihn viele gar nicht erst auf. Gerade arbeiten wir an einem neuen Motocross- und einem neuen MTB-Helm. Da gibt’s noch viel Potenzial.
Mir ist aufgefallen, dass einige deiner Leute schon ewig bei dir sind. Bist du ein guter Chef, oder warum bleiben die so lange?
(lacht) Ich hoffe schon! Aber ich glaube, sie haben einfach Spaß an ihrer Arbeit. Es ist schön, wenn jemand wirklich für Kunst brennt. Ich gebe meistens nur grobe Skizzen vor, damit sie selbst kreativ werden und eigene Ideen einbringen können. Genau das macht’s spannend – und vielleicht bleiben sie deshalb so lange.

Und was bringt die Zukunft? Hast du Kinder, die irgendwann übernehmen könnten?
Ja, das wär mein Traum. Ich hab die Marke ja erst vor ein paar Monaten zurückgekauft*, und es fühlt sich an wie ein Neustart. Mein Sohn Max ist 24 und im Motorrad-Sales-Team, meine Zwillinge sind 17 – einer surft, der andere fährt MTB-Rennen. Vielleicht übernehmen sie eines Tages. Aber ich habe auch großartige Mitarbeiter, die sicher noch lange bleiben und das hier fortführen wollen.
*Nachdem Troy Lee Designs seit 2022 zur französischen 2Ride Group gehört hatte, hat Troy Lee die Marke im Juli 2024 zurückgekauft. Seitdem ist TLD wieder ein eigenständiges Unternehmen.
Was witzig ist: Troy Lee Designs war für mich bislang immer nur eine Marke. Aber ich habe lange nicht so richtig begriffen, dass es dich so als Person wirklich gibt.
Ja, das höre ich oft. Einmal hab ich beim Sea Otter einem kleinen Mädchen geholfen, das hingefallen war. Ihr Vater meinte dann: „Weißt du, wer das ist? Das ist Troy Lee.“ Und die Mutter nur so: „Wie, den gibt’s wirklich?“ Viele denken echt, Troy Lee wäre nur ein Markenname. Dabei war’s meine Mom, die den Namen erfunden hat. Ich habe damals in meiner Garage gearbeitet, ein bisschen Geld verdient, und sie meinte: „Du verdienst jetzt ungefähr 30.000 Dollar, du musst Steuern zahlen.“ Also hat sie mir Visitenkarten für mein Unternehmen gedruckt und einfach „Troy Lee Designs“ draufgeschrieben. Ich hab erst gedacht: „Mama, du bist verrückt.“ Aber irgendwann hab ich die Karten benutzt – und seitdem heißt es so.
Zum Schluss – irgendwelche weisen Worte?
Mach einfach das, was du liebst. Dann fühlt es sich nie wie Arbeit an. Klar, ich sitze zu oft im Flieger, fahre zu viele Mietwagen und schlafe in zu vielen Hotels. Aber sobald ich an der Rennstrecke bin, weiß ich: Genau dafür mache ich das.

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