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E-Bike World Tour Saisonauftakt Flachau
Rennbericht von Natalie Schneitter

Die Rennen der E-Bike World Tour gelten als die härtesten E-MTB Rennen der Welt. Die E-Tour of Salzburgerland ist die dritte Veranstaltung in dieser Art: Nach der E-Tour du Mont Blanc mit Start und Ziel in Verbier (Schweiz) und der E-Tour de Haute Tarantaise in Tignes-Val d’Isère, findet die E-Bike World Tour 2022 nun in Flachau ihre Heimat auch im deutschsprachigen Raum. Natalie Schneitter war am Start und hat uns, als zweitschnellste Dame, einen Rennbericht geschrieben!

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E-Tour of Salzburgerland – der Saisonauftakt

In zwei Tagen galt es, rund 100 Kilometer und 5.500 Höhenmeter zu bewältigen und dies in einem neuen, innovativen Rennformat. Die Regularien dieser noch sehr jungen Sportart sind noch immer in Entwicklung und die E-Bike World Tour 2022 hat ihr Format angepasst, um noch spezifischer auf die Eigenheiten des E-Mountainbikes einzugehen. Das neue Rallye-Rennformat beinhaltet täglich verschiedene Sektionen, auf denen die Zeit gemessen wird. Eine Sektion dauerte dabei zwischen fünf und sechzig Minuten, abhängig von den Gegebenheiten der Destination. In Flachau bedeutete dies Sektionen bis rund zwanzig Minuten, da die diese bevorzugt auf Trails stattfinden sollen. Längere Kies- oder gar Asphalt-Passagen sind nicht erwünscht.

# Trailporn: Schöne Landschaften gibt es in Flachau auch zu bestaunen. Das kann Natalie dann hinterher nachholen.

E-Bike World Tour 2022 – das Format

Das Rennformat ist im Radsport neu, denn für die Gesamtwertung zählt nicht die Gesamtzeit der absolvierten Sektionen, sondern die Summe der Platzierungen in diesen. Der Athlet mit der schnellsten Zeit in einer Sektion erhält einen Punkt, der Zweitschnellste zwei Punkte, und so weiter. Gewinnt ein Athlet also die erste Sektion und wird in der zweiten Sektion zweiter, dann hat er aus diesen zwei Sektionen insgesamt drei Punkte. Der Teilnehmer mit der geringsten Punktzahl gewinnt die Gesamtwertung. Das Rennformat ist nicht ganz einfach zu verstehen, hat sich beim Rennen in Flachau aber bewährt. Aber eines nach dem anderen:

Bei der E-Tour of Salzburgerland können täglich maximal zwei Akkus eingesetzt werden, die in definierten neutralisierten Zonen getauscht werden dürfen. In diesen neutralisierten Zonen wird für 30 Minuten die Zeit angehalten und es darf auch technische Hilfe in Anspruch genommen werden; beispielsweise vom neutralen Bosch Race Support. Da man im Voraus weiß, nach wie vielen Kilometern / Höhenmetern der Batteriewechsel erfolgt, spielt Batteriemanagement bei der E-Bike World Tour 2022 in dem Sinne eine Rolle, dass auf den Transfers zwischen den Sektionen Batterie gespart wird, um die Sektionen mit Zeitmessung dann mit voller Unterstützung durchfahren zu können.

# Auf den Transfers zwischen den Stages gilt es Power zu sparen.

Saisonauftakt in Flachau – es geht los

Bereits der Vorbereitungstag zur E-Tour of Salzburgerland ist intensiv. Ersatzteile wollen organisiert sein und der Rucksack für das Rennen gepackt werden. Bei der Registrierung zum Rennen geht es nicht nur darum, die Startnummer entgegenzunehmen, es wird auch ein ausgiebiger E-Bike-Check durchgeführt. Das Thema Antituning wird hier ernst genommen: Der Radumfang wird gemessen und mit dem in der Software hinterlegten Wert abgeglichen. Zudem dreht der UCI Kommissär mit jedem E-Bike noch eine kurze Runde. Laufräder, Rahmen, Gabel, Motor und Batterien werden zudem mit Stickern versehen; der Wechsel dieser elementaren Teile ist während des Rennens nämlich nicht erlaubt.

# Ridersbriefing - ich mache große Augen vor der bevorstehenden Aufgabe. Es warten viel Höhenmeter und unzählige Kilometer auf uns.
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E-Bike World Tour 2022 – Freitag, erster Renntag

Der Startschuss zum Rennen fällt am Freitagmorgen. Ich stehe mit großen Ambitionen und entsprechend großer Nervosität an der Startlinie. Noch nie konnte ich ein Rennen der E-Bike World Tour gewinnen, aber ich bin fit und parat für die Aufgabe. Das Rennen startet als Massenstart und schon nach wenigen Hundert Metern sind die Positionen bezogen. Wir reihen uns auf dem Trail ein, Überholmanöver sind ab diesem Zeitpunkt kräfteraubend und wollen gut kalkuliert sein. Ich bin vorn mit dabei, als Zweite – am Hinterrad der amtierenden Weltmeisterin Nicole Göldi aus der Schweiz.

Ich fühle mich gut und versuche grade zum Überholen anzusetzen, als es plötzlich einen Ruck gibt und mein Fahrrad nicht mehr vorwärts geht. Verdutzt schaue ich nach unten: Das darf doch nicht wahr sein! Ich habe den linken Kurbelarm verloren und trete ins Leere. Panik durchströmt meinen Körper: Was soll ich tun? Ich versuche das E-Bike zu schieben und damit zu laufen, doch realisiere schnell, dass ich so viel zu langsam bin. Elf Kilometer lang ist die Sektion und ich habe erst einen Kilometer davon absolviert! Ich hole das Minitool aus meinem Rucksack und versuche, die Kurbel wieder anzuschrauben. Doch mit dem Tool habe ich zu wenig Kraft, um die Kurbel richtig festzuschrauben und so kann ich zwar weiterfahren, muss aber auf dieser Sektion noch zweimal anhalten, um das Prozedere zu wiederholen. Ich verzweifle fast, doch weiß, dass es der einzige Weg nach vorn ist. Zum Start zurück würde Disqualifikation bedeuten und ich will unbedingt weiterfahren. Ich werde Sechste in dieser Sektion und meine Siegesambitionen sind damit bereits begraben. Ich fokussiere mich auf das Wesentliche, atme ein paarmal tief durch und schalte innerlich den Überlebensmodus ein.

# Nicht jede Linienwahl entpuppt sich als ideal
# Ohne den Weihnachtsbaum geht es weiter.

Durchbeißen, trotz Technikproblemen

Der Transfer zur Stage 2 absolviere ich zum Teil einbeinig – dank Klickpedal geht das auf Kies relativ einfach. Sobald wir auf Trail unterwegs sind, schraube ich die Kurbel wieder – so gut es geht – an. Das permanente Stop-and-Go zerrt an meinen Kräften und meiner Geduld. Als ich endlich die zweite Sektion erreiche, ziehe ich die Schraube der Kurbel nochmals so fest, wie’s geht und gebe Gas. Zwei Drittel der Sektion kann ich fahren, bis sich die Kurbel wieder löst. Ich werde Vierte und habe nun 10 Punkte. Nicole Göldi, die Führende zu diesem Zeitpunkt, hat zwei Punkte, zweite ist die Französin Lea Déslandes mit vier Punkten.

# Einbeinig dem See entlang, da vergeht einem die Rennlust.

Als ich in die neutralisierte Zone komme, suche ich gleich Hilfe. Der Rennsupport von Bosch steht bereit und schraubt die Kurbel mit richtigem Werkzeug wieder an. Mein Gemurkse hat das Gewinde etwas beschädigt und Fingerspitzengefühl ist gefragt. Schlussendlich ist das Ding wieder dran und ich bin motiviert für eine Aufholjagd.

Es folgt ein langer Transfer, der auch eine Gondel beinhaltet, und ich kann mich beim Pedalieren wieder zentrieren. Die dritte Sektion des Tages entpuppt sich als hochalpiner Balanceakt: Eine verblockte Stelle jagt die andere und bereits am Anfang gibt es einen steilen Aufstieg, der die Herzfrequenz heraufjagen lässt und die Konzentration beeinträchtigt. Ich komme langsam in den Flow und gebe richtig Gas. Die vierte Sektion ist dagegen ein reiner Downhill und ich versuche flüssig zu fahren und keine unnötigen Risiken einzugeben. Als wir zur fünften Sektion kommen, haben wir rund 2.500 Höhenmeter in den Beinen und in der Sektion geht es gleich zu Beginn nochmals dreihundert auf dem Trail berghoch. Ich fahre so schnell los, dass ich bald Sternchen sehe und muss einen Gang rausnehmen, weil ich weiß, dass Konzentration in den Abfahrten das A und O ist. 700 Tiefenmeter gibt’s noch bis zum Ziel.

# Flachau kann auch hochalpines Gelände.
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# Berge hinab, …
# … Berge hinauf …
# … und wieder hinunter. Schier unendliche Streckenkilometer und Höhenmeter sind zu bewältigen.
# Nicht immer kann man sie fahren: Steile Aufstiege …
# … und steile Abfahrten.
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Das neue Rennformat ist intensiv, denn bei den Sektionen gibt man automatisch 120 %, was bei einem längeren Rennen gar nicht möglich wäre. Ich werde vor allem auch im Kopf müde: Der ständige Wechsel von volle Kanne Rennen fahren und dann wieder gemütlich auf den Transfers, ist für mich ungewohnt. Die Kurbel hat gehalten und ich bin zufrieden, denn ich konnte alle drei Sektionen am Nachmittag gewinnen und liege nun mit insgesamt 13 Punkten bereits wieder auf Rang 3 hinter Nicole Göldi und der E-Bike World Tour-Siegerin des Vorjahres Lea Déslandes aus Frankreich, die punktgleich mit 11 Punkten an der Spitze liegen.

Samstag, zweiter Renntag

Der zweite Tag beginnt mit dem Wissen, dass es ein schlammiger Tag werden wird, denn es hat die ganze Nacht geregnet. Ich hatte den Schlammreifen bereits am ersten Renntag am Vorderrad montiert und ändere an meiner Reifenwahl nichts mehr. Die erste Sektion des Tages wird wiederum im Massenstart absolviert und obwohl wir alle bereits müde sind, wird auch heute wieder um jede Position gekämpft. Der Regen hat die Wiesenpartien rutschig gemacht und mehrmals muss ich mein E-Bike kurz schieben, weil ich am Hinterrad Traktion verliere. Allen anderen geht es aber ähnlich und so stehen wir uns vor allem zu Beginn gegenseitig im Weg herum. Ich liefere mir ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Nicole Göldi, welches ich schlussendlich um wenige Sekunden für mich entscheiden kann.

# Natalie beißt sich durch.
# Kein Auge trocken: Es wird schlammig.
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# Alle Reserven mobilisiert: Die Rennen sind recht kurz, es gilt 120 % zu geben.

Da bei der zweiten Stage in der Reihenfolge gestartet wird, in der wir bei der ersten ins Ziel gekommen sind, darf Nicole wenige Sekunden hinter mir ins Rennen und mich jagen. Für mich ist dies eine komplett neue Situation, da mich am Vortag der Defekt vor diesen Zweikämpfen bewahrt hat. Nicole kann nach 15 Minuten Fahrzeit die Lücke zu mir schließen und wir kommen nach rund 20 Minuten zusammen ins Ziel. Das bedeutet, dass diese Sektion an sie geht. Ich rechne und merke, dass ich zwar mittlerweile bereits auf Zwischenrang 2 liege, der Sieg in der Gesamtwertung aber nicht mehr drin liegt, sofern alle ohne Defekt durchkommen.

Das Finale – ein Nightride

Die letzte Sektion des Rennens steht uns aber noch bevor – das Nightrace im Ortszentrum von Flachau. Im Cross-Country Rennformat können wir Athletinnen vor einem motivierenden Publikum über drei Runden zeigen, was in uns steckt. Ich starte gut, muss mir aber bald eingestehen, dass Nicole heute Abend eine Klasse für sich ist. Weder am Berg noch in den Abfahrten kann ich ihr Hinterrad halten. Und da ich weiß, dass ich für den zweiten Rang in der Gesamtwertung diesen zweiten Rang in der Sektion benötige – und vor allem sicher ins Ziel kommen muss – konzentrieren ich mich darauf.

Geschafft!

Nach 45 Minuten und rund 900 Höhenmetern volle Kanne fahren, bin ich glücklich im Ziel der letzten Sektion. Hätte mir am Vortag, wo ich mit dem Minitool verzweifelt versucht habe, die Kurbel anzuschrauben, jemand gesagt, dass ich noch Zweite werde, hätte ich das kaum geglaubt. Ich freue mich riesig und bin bereits hungrig für mehr! Das nächste Rennen der E-Bike World Tour 2022, die „E-Tour de Haute Tarentaise“ findet nämlich bereits vom 29. bis 31. Juli in Tignes -Val d’Isère (FRA) statt und mein erster Sieg bei einer E-Bike World Tour steht noch immer aus!

# Geschafft! Natalie ist Zweite der Gesamtwertung.
# Ziemlich kaputt aber glücklich fährt sie …
# … beim Nachtrennen im Dorf Flachau ins Ziel.
# Im Ziel des Nightrace gibts Highfive mit Mama.
# Erste Gratulanten und …
# … eine waschechte Siegerinnenehrung.
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EBWT Flachau – Die Wertung

Die amtierenden UCI-E-MTB-Weltmeister Jérôme Gilloux (FRA) und Nicole Göldi (SUI) konnten beide die Gesamtwertung der E-Tour of Salzburgerland für sich entscheiden. Bei den Damen sicherte sich Nathalie Schneitter (SUI) den zweiten Rang vor der EBWT-Titelverteidigerin Léa Deslandes (FRA) als Dritte. Gilloux stand am Ende mit Andrea Garibbo (ITA) und dem Drittplatzierten Kenny Muller (FRA) auf dem Treppchen.

# Podium und zweiter Rang! Ich bin happy.
# Hoch die Hände, Wochenende. Die drei schnellsten Herren haben Feierabend.
Text: Natalie Schneitter

Klingt nach einem gewaltigen Pensum! Wäre eine Teilnahme an der E-Bike World Tour für euch denkbar?

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