Video: Schlüsseldienst by Tom Öhler – Episode 2
Gerhard Weiß ruft den Schlüsseldienst von Tom Öhler
Die zweite Episode des Schlüsseldienstes hat mich direkt vor eine spannende Aufgabe gestellt: Gerhards Schlüsselstelle war eine Steilstufe mit super flachem Auslauf – fahrtechnisch also eine eher suboptimale und durchaus komplexe Kombination. Ohne die Stelle vorher gesehen zu haben, hatte ich zwei mögliche Lösungsansätze im Kopf:

- Die Stufe „wegdrücken“ – dabei aus zentraler Position mit den Armen aktiv nach unten arbeiten.
- Eine Dropbewegung einleiten – das Vorderrad anheben und so die Stufe „überspringen“.
Gerhard wollte sich auf die erste Variante konzentrieren, also sind wir genau damit ins Training gestartet.
Steckbrief: Gerhard Weiß
- Name: Gerhard Weiß
- Spitzname: Geri
- Wohnort: Vorarlberg, Österreich
- Instagram: @ge.ri.we
- Größe & Gewicht: 183 cm | 90 kg
- Alter: 68 Jahre
- MTB-Erfahrung: seit 1989 – 36 Jahre
- Lieblingstrails: Naturbelassene Pfade, am liebsten mit Schlüsselstellen, die nicht jedes Mal gelingen.
- Heimatliebe: Von den flachen Einrollrunden im Rheintal über die sanften Hügel des Bregenzerwaldes bis hin zu hochalpinen Touren in Silvretta, Rätikon oder Lechquellengebirge – Vorarlberg bietet das ganze Jahr über Abwechslung.
- Bike-Reisen: Lofoten (Norwegen), Sardinien (Italien), Hoher Atlas (Marokko), Pyrenäen (Spanien), Vogesen (Frankreich), Madeira (Portugal), dazu 5 Alpenüberquerungen und 3 Vorarlbergumrundungen.
Vom Skatepark zur Schlüsselstelle
Wir starteten im Skatepark, um die Grundtechnik für das Stufendrücken zu festigen. Das Ziel: eine zentrale Position auf dem Bike, in der der Oberkörper möglichst stabil bleibt und Unebenheiten vor allem mit den Armen ausgeglichen werden.
- Vorteile der zentralen Position: Mehr Traktion am Vorderrad, präzisere Lenkung und Kontrolle, selbst höhere Stufen lassen sich sauber drücken.
- Nachteile: Erfordert eine sehr aktive Fahrweise – sonst kann das Vorderrad an kleinen Kanten hängen bleiben.


Mit dieser Basis ging es an Gerhards Schlüsselstelle. Um die Angst zu reduzieren, legten wir zuerst Holzblöcke in den Auslauf, um die Stufe zu entschärfen. Schritt für Schritt tasteten wir uns an die volle Höhe heran.
Die Anfahrt – schon ein eigenes Fahrtechnik-Kapitel
Schon bevor Gerhard überhaupt an der Stufe war, wartete die erste große Herausforderung: Die Anfahrt war sehr steil und verlangte volle Kontrolle bei minimalem Tempo. Man musste langsam und präzise bis an die Kante heranfahren, ohne unnötig Geschwindigkeit aufzubauen, gleichzeitig die Balance halten und die ideale Linie nicht verlieren – und dann, genau im richtigen Moment, die geübte Technik abrufen. Diese Kombination aus Balance, Feingefühl und perfektem Timing machte die Stelle noch einmal deutlich komplexer.


Das Problem mit alten Bewegungsmustern
Gerhard fährt seit 36 Jahren Mountainbike – und das sieht man: Er hat einen enormen Erfahrungsschatz, aber eben auch feste Bewegungsmuster, die sich über Jahrzehnte eingeschliffen haben. Solche Muster lassen sich nicht in zwei Stunden „überschreiben“. Das ist völlig normal – unser Körper greift in Stresssituationen automatisch auf bekannte Abläufe zurück. In der vereinfachten Version funktionierte die neue Technik gut, aber sobald die Hilfsmittel weg waren und der Respekt vor der Stufe zurückkam, schaltete Gerhard unbewusst wieder in sein gewohntes Fahrverhalten.
Zwei Wege über die Kante
- Wegdrücken:
- Zentrale Position, langsames Anfahrtstempo, viel Commitment.
- Kurz vor der Kante aktiv mit den Armen tief gehen, Vorderrad bewusst nach unten führen.
- Drop-Technik:
- Vorderrad leicht machen, anheben und im Idealfall auf beiden Rädern gleichzeitig landen.
- Aus steilem Gelände technisch anspruchsvoll, erfordert ebenfalls viel Vertrauen.
Wir entschieden uns für Variante 1 – passend zu Gerhards Wunsch nach konstantem Bodenkontakt.
Analyse des finalen Versuchs
Im letzten, vollen Versuch an der Schlüsselstelle war schon die Einfahrt nicht ideal: Gerhard war mit seinem Oberkörper leicht hecklastig und hätte deutlich zentraler stehen können. Dazu kam, dass er etwas zu viel Geschwindigkeit aufbaute – hier wäre mehr Kontrolle entscheidend gewesen, denn bei Stellen wie dieser gilt das Motto: „Geschwindigkeit stabilisiert leider nicht immer.“
Als er dann das Vorderrad aktiv nach unten führen sollte, kam aus den Armen keine Bewegung. Vermutlich lag das einerseits am Respekt vor der Stelle, andererseits aber auch daran, dass es aus dieser leicht hecklastigen Position heraus biomechanisch kaum möglich gewesen wäre. Man sieht gut, wie das Vorderrad stattdessen einfach „runterfällt“ statt geführt zu werden – was zusätzlich einen Drehimpuls nach vorne erzeugt, der leicht zum Überschlag führen kann.
Beim Aufkommen im flachen Auslauf stauchte es Gerhard ordentlich zusammen. Besonders gut erkennbar: sein Kopf wird so stark nach unten gedrückt, dass er ihn nicht aufrecht halten kann. Durch den extremen, unkontrollierten Druck aufs Vorderrad wird dieses im nächsten Moment sogar wieder leicht und verliert kurz die Traktion. Hier im flachen Auslauf war das unproblematisch – in einer Serie mehrerer hoher Stufen im Gelände würde das aber schlicht Kontrollverlust bedeuten. Und den will niemand.

Fazit & Ausblick
Gerhard hat die Stelle gemeistert – und das ohne Sturz, auch wenn es knapp war. Die geübte Technik konnte er in der vollen Version noch nicht komplett umsetzen, was aber völlig normal ist. Bewegungsmuster ändern sich nur durch wiederholtes Training über längere Zeit.
Und genau darum geht’s beim Schlüsseldienst: Ich kann an einem Tag kein jahrelang gewachsenes Fahrverhalten komplett umstellen – aber ich kann Grundlagenwissen vermitteln, Impulse setzen und den Weg für weitere Fortschritte ebnen.
Wer ist eigentlich Tom Öhler?
Ich liebe E-MTBs, in erster Linie, weil ich damit einfach wesentlich mehr Trailkilometer sammeln kann. Aber es verleitet oft zu einer unsauberen Fahrtechnik – das mehr an Gewicht will bewusst und kontrolliert bewegt werden, damit der gleiche Fahrspaß aufkommt wie bei einem Biobike.

Tom Öhler ist ein österreichischer Profi-Biker und ehemaliger Weltmeister im Trial-Biken. Er wurde durch seine spektakulären auf dem Mountainbike und seine exzellente Fahrtechnik bekannt und hält mehrere Weltrekorde. Heute begeistert er mit atemberaubenden Shows, YouTube-Videos und Filmprojekten, wie beispielsweise seiner Videoserie „Schlüsseldienst by Tom Öhler“, in denen er technische Lines, Balance-Akte und kreative Tricks oft in spektakulären Locations zeigt – vom Gipfelgrat bis zur Stadtmauer, Tom fährt mit seinem Bike einfach überall und meistert die ein oder andere Spitzkehre auch gern einmal rückwärts. Sein Stil verbindet Präzision, Flow und Mut auf höchstem Niveau. Mit seiner Erfahrung als Showfahrer, Coach und E-MTB-Abenteurer weiß er, wie man auch scheinbar unmögliche Linien kontrolliert meistert – und genau dieses Wissen will er jetzt mit der Community teilen.
Hast du selbst schon einmal versucht, ein altes Bewegungsmuster auf dem Bike zu ändern? Welche Technik hat dich dabei am meisten gefordert? Schreib’s Tom unten in die Kommentare – er ist gespannt auf eure Erfahrungen!
Weiterlesen
Hier findest du alle Folgen aus der Video- und Artikelreihe „Schlüsseldienst by Tom Öhler“:
Kommentare
» Alle Kommentare im ForumWir laden dich ein, jeden Artikel bei uns im Forum zu kommentieren und diskutieren. Schau dir die bisherige Diskussion an oder kommentiere einfach im folgenden Formular: