Hallo,
danke für die rege Diskussion. Dachte ich mir, dass das Thema nicht im Konsens abgehakt. Thematisch geht es recht wild durcheinander. Ich versuche mich mal an einer Zusammenfassung.
Kalendarische Alterung
Die kalendarische Alterung beschreibt den Verlust an Kapazität und den Anstieg des Innenwiderstands über Zeit (ohne den Einfluss der Nutzung, vgl. zyklische Alterung). Es ist wissenschaftlich belegt, dass es einen Zusammenhang zwischen SOC (Ladezustand) und Alterung (bei den untersuchten Zellen) gibt. In dieser Quelle werden für verschiedene Zellchemien Messwerte angegeben:
http://jes.ecsdl.org/content/163/9/A1872/F2.large.jpg
Wenn man mal fünfe gerade sein lässt kann man Faktor 0,95 pro 10 Monate bei SOC=60-
100% und 0,975 bei SOC=0-50% ablesen. Ein voll gelagerter Akku hat dann nach 4 Jahren noch 73% Kapazität während ein halbvoll gelagerter Akku 86% der ursprünglichen Kapazität hat. Das ist ein Unterschied von 13%. Sicherlich ist eine optimale Lagerung nicht durchgehend zu erzielen. So dass sich der praktisch nutzbare Vorteil auf weniger als 13% einstellen wird.
Es wird immer mal wieder von einem Tag, zwei Wochen oder einem Monat Lagerzeit gesprochen. Mir ist kein Hinweis aus der Literatur bekannt, wo ein Einfluss der ununterbrochenen Zeitspannen beschrieben wird. Ich gehe davon aus, dass Zeit einfach Zeit ist.
Wie passt das mit den Aussagen mit einzelnen:
Frankonia: „Ob Du deinen Akku mit 80% lagerst oder mit
100% ist völlig wurscht.“
Ja, dass kann man so aus den Diagrammen ablesen. Der Unterschied besteht zwischen 50% und
100%.
Lothar: „Als Beispiel bringe ich da auch gern mal meinen 400er Bosch aus 2014. Er stellt immer noch 405Wh bereit und ermöglicht fast die gleichen Reichweiten wie mein neuer 500er“
Das ist für mich schwer nachzuvollziehen. Ich verstehe es so, dass Du gar keine Alterung feststellst, bzw. dass die Reichweite auch bei unterschiedlichen Akkus gleich ist? Woher kommt der Wert von 405Wh? Aus dem Bosch-Diagnosegerät oder beziehst Du Dich auf die angezeigte und somit geschätzte Reichweite nach dem Laden (siehe Reichweitenschätzung) oder real gefahrene Strecke bis leer? Würdest Du behaupten, dass Du 10% Unterschied praktisch merken würdest?
Zyklische Alterung
Es ist hier und auch in sonst allen anderen mir bekannten relevanten Quellen Konsens, dass die zyklische Alterung alleinig auf dem Ladungsumsatz basiert. Das heißt, dass es egal ist, ob man von
100% auf 0% oder zwei Mal von
100% auf 50% oder zwei Mal von 50% auf 0% entlädt (Annahme: 0% entspricht keiner Tiefentladung).
Selbstentladung
Das Maß der Entladung über Zeit durch Nebenschlüsse in der Zelle ist ein Merkmal von Alterung bzw. Schädigung. Die Selbstentladung lässt aber keinen Schluss auf die Kapazität zu.
Frankonia: „Ich hatte meinen Yamaha 400Wh Akku ( Sanyo Zellen) voll auf
100% geladen und so 7 Monate garnicht genutzt, mich auch nicht weiter drum gekümmert. Nach den 7 Monaten zeigte das Yamaha Display um die 42% an“
Das ist eine recht hohe Selbstentladungsrate aber nicht vollkommen unplausibel für ein Akkupack mit einem BMS:
https://batteryuniversity.com/learn/article/elevating_self_discharge
Reichweitenschätzung
Die Reichweitenschätzung in der Einheit km hat mehrere komplexe Aufgaben zu lösen. Es gilt den SOC (Ladezustand), die Kapazität und den Verbrauch pro km zu schätzen. Das ist mit einer adhoc Messung der Spannung unmöglich. Es ist denkbar von einer festen Kapazität auszugehen und den Ladezustand über die Zellspannung zu schätzen. Dieses Verfahren würde man daran erkennen, dass selbst nach Jahren der Nutzung direkt nach dem Laden noch die gleiche Reichweite angezeigt wird. Man wird dann aber irgendwann feststellen, dass man pro gefahrene km mehr „Reichweiten-km“ verbraucht. Ich gehe davon aus, dass alle moderne Systeme die Abnahme der Kapazität verfolgen. Die Kapazität kann man durch Integration des Strom schätzen. Man macht es der Technik dann leichter, wenn man ganze Zyklen (von voll bis leer) fährt. Das ist auch für Lithium-Akkus immer noch ein aktuelles Verfahren. Wenn es aus Kostengründen keinen Stromsensor gibt, kann sich das System auch mit den Erfahrungswerten behelfen. Da die zuletzt geschaffte Distanz bekannt ist und der Ladezustand halbwegs genau anhand der Spannung geschätzt werden kann. Das hat aber nichts mit der Alterung zu tun. Die Alterung macht es dem Gerät nur schwer. Ich würde aber auch sagen, dass es sprachlich korrekt ist zu sagen, dass das BMS (so bezeichnet man üblicher Weise alle Elektronik in einem Akku) auf die Eigenschaften der Zellen kalibriert wird.
Schnellladen
Ladezeiten von 1h und mehr geht nicht mehr als Schnelladen durch. Einfluss von Schnellladen wird eher bei Ladezeiten unter 15 Minuten relevant und selbst da gibt es wenig Hinweise auf Schädigung. Der (angebliche) Vorteil vom schnelleren Laden wird der Verkürzung der Zeit bei welcher die Zelle bei der Schlussspannung (4,1-4,2V) gehalten wird zugeschrieben. Damit besteht ein Bezug zur kalendarischen Alterung. Es gibt Untersuchungen, die noch mal einen größeren Unterschied zwischen 4,15V und 4,20V feststellen.
PS: Da es um ein rein technisches Thema geht, würde ich an alle appellieren einen sachlichen Ton zu wahren. Es ist bald Weihnachten und wir haben alle ähnliche Interessen.
PS2: Eigentlich hatte ich ja nach genialen technischen Lösungen zum kontrollierten Laden gefragt. Jetzt haben wir uns an der Sinnhaftigkeit festgefressen. Wenn es tatsächlich um 10% in 4 Jahren geht, kann man diese durchaus in Zweifel ziehen. Dennoch bleibe ich an Ansätzen interessiert.